Statusbericht: Chemotherapie, Teil 1

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Meinem Versprechen ein wenig Licht ins Dunkel meiner Krebs-Diagnose zu bringen, bin ich nach meinem letzten Beitrag nicht nachgekommen. Ausschlaggebend dafür war die viele Zeit - die viele Zeit, die ich zusammen mit meiner neuen Xbox360 vor dem Fernseher verbracht habe.

So habe ich diese Tage überhaupt nichts gemacht, ausser mich von Süssem (Crèmeschnitten, Mohrenköpfen, Schwedentorten usw.) zu ernähren und in die bedeutungslose Röhre zu starren. Daneben noch ein kleiner Zeitvertreib mit meinem Computer – als Bürgermeister in SimCity 4 sollte mein Public Management auf die Probe gestellt werden.

So habe ich es richtig genossen, keine Verpflichtungen zu haben – mal abgesehen von den Nebenwirkungen meiner Chemotherapie, die tagtäglich mit ca. 20 Tabletten und mindestens einer Spritze bekämpft werden wollten.

Nun, was geschah genau? Am besten ich fange ganz von vorne an..

Am Freitag, dem 19. Januar, hatte ich seit einer Ewigkeit wieder einmal einen Termin bei meinem Hausarzt Herrn Dr. Scheidegger. Grund dafür war ein ständiges Schwächegefühl seit Anfang Jahr – jeden Tag war ich völlig ausgelaugt und meist schon um 20:00 Uhr im Bett – und der Fakt, dass meine Schulter trotz medikamentöser Behandlung noch immer Probleme bereitete. Das erste, was ich zu hören bekam, war: „Auf der Strasse hätte ich sie nicht wiedererkannt. Was ist auch los?“ Ich vermute es lag an meinem Bart. Nach einem längeren Gespräch mit allen nötigen Informationen über meine Schulter und einer Blutentnahme – wie ich es liebe, gestochen zu werden.. –, wurde über mein Zustand gemutmasst. Für mein Gegenüber war klar, dass da irgendetwas nicht stimmen konnte und man handeln müsse. Doch das erst am kommenden Dienstag.

Wie bestellt, erreichte ich die Praxis in der darauffolgenden Woche termingerecht und setzte mich mit einem eher mulmigen Gefühl in der Magengegend ins Wartezimmer. Als ich nach einigen Minuten ins Büro des Herrn Doktor gebeten wurde, sass dieser nicht wie gewohnt auf seinen Platz, sondern auf den Stuhl neben mir und begann mit den Worten: „Was machen wir nur mit ihnen?“ Unter „beruhigende Worte“ würde ich diese Aussage nicht ablegen. So klärte man mich auf, dass ein gewisser Blutwert darauf hinwies, dass eine Entzündung sich breitgemacht hatte. Mit Blick auf die bevorstehenden Prüfungen diskutierten wir die Variante „Antibiotika“ – dies ohne zu wissen, was für meine Situation ausschlaggebend war – und ich befand das Ganze für gut. Herr Dr. Scheidegger jedoch hatte dabei ein schlechtes Gefühl und wollte der Sache auf den Grund gehen. So kam es, dass wir am kommenden Donnerstag einen Termin für eine Ultraschalluntersuchung des Bauches vereinbarten. Kurz bevor ich gehen wollte, wurde vorgeschlagen, dass trotz später Stunde vor Ort eine Röntgenaufnahme gemacht vom Oberkörper gemacht wird, um einen Einblick in die Situation zu gewinnen. Gesagt, getan. Zehn Minuten später sass ich wieder auf meinem Platz und betrachtete ein meines Erachtens normales Röntgenbild. Dem war nicht so: Zu sehen war im linken, oberen Brustbereich ein grösserer, weisser Fleck, der für mich mein Herz darzustellen schien. Dann wurde ich darauf hingewiesen, dass das Herz einen kleineren Bereich unterhalb ausfüllte und dieser ca. 10 x 12 cm grosse Fleck dort völlig fehl am Platz war. Erst der Vergleich mit einem anderen Röntgenbild verschaffte mir dann Klarheit und zugleich Unbehagen – wie geht man mit solch einer Situation um? Sofort wurde mir unterbreitet, alles stehen und liegen zu lassen, um am kommenden Morgen notfallmässig ins Bruderholzspital zu gehen. Weitere Untersuchungen waren nötig.

Mit der Röntgenaufnahme unter dem Arm verliess ich die Praxis und entschloss mich dazu, nachhause zu laufen. Als erstes, nachdem ich die Türe hinter mir schloss, griff ich nach meinem Mobiltelefon und versuchte Andreas zu erreichen. Dieser hatte jedoch Unterricht und war dementsprechend nicht erreichbar. Ich hinterliess eine Nachricht mit der Bitte, mit schnellstmöglich zurückzurufen. Als nächstes versuchte ich meinen Vater zu erreichen, dies jedoch ebenfalls ohne Erfolg. Meine Mutter war im Einwohnerrat und dort wollte ich sie einerseits nicht stören und andererseits hätte ich ihr das so nicht am Telefon erzählen können – wie auch?

Zuhause angekommen, traf ich auf Peter, der im Begriff war zu gehen. Ich nahm das Röntgenbild aus dem Umschlag und versuchte das Ganze zu erläutern, was mir nicht gerade einfach fiel. Er versuchte mich ein wenig zu beruhigen und verliess dann das Haus. Mit meinem Befund alleine entschloss ich mich das Telefon zu nehmen und jemanden anzurufen. Viele habe ich nicht erreicht, jedoch half es mir sehr mit Stefan und Jacqueline zu telefonieren. Nachdem ich mich einigermassen beruhigt hatte, wurde eine Pizza beim PizzaBlitz bestellt – dazu noch ein Mousse au choccolat und ein Heineken. Dies ganz nach dem Motto: „Jetzt lass ich es mir nochmal gut gehen.“ Als dann auch noch das letzte Stück Teig gegessen und das Bier leergetrunken war, kam meine Mutter nachhause. Ich zeigte ihr das Röntgenbild und erklärte ihr alles bis ins kleinste Detail. Sie blieb, soweit das überhaupt möglich war, gelassen und ich sagte ihr: „Wenn hier jemand in Panik ausbrechen dürfte, dann ich - und sonst niemand.“ Ein eher kläglicher Versuch meine Mutter zu beruhigen.

Am nächsten Morgen wurde ich frühzeitig ins Bruderholzspital chauffiert und vor der Notfallaufnahme abgesetzt. Nach einem wässrigen Kaffee und einem Blick in die Basler Zeitung wurde ich abgeholt, ins Bett gesteckt und erneut zum Röntgen gebracht. Auf dem 9. Stock gelandet, steckte man mich ein Viererzimmer mit gerade mal einem angenehmen und zwei unangenehmen Patienten – dies bezieht sich vor allem auf den Redefluss und die unerträgliche Lautstärke in der Nacht.

Am kommenden Morgen wurden die Details mit der Versicherung geklärt und ich kam in ein angenehmes Zweierzimmer mit Ausblick und ohne störenden Lärm. An derselben Örtlichkeit teilte man mir dann am späteren Nachmittag mit, dass die vorläufige Diagnose „Krebs“ lautet. Die Untersuchungen wiesen darauf hin, dass sich ein sogenannter „Keimzellen-Tumor“ bei mir breitgemacht hat und nun auf Herz, Lunge und eine grosse Vene drückt. Als ich das zum ersten Mal vernahm, versuchte ich gewohnt gelassen zu bleiben, doch mit der Zeit wurde das immer schwieriger.

Wenig später kamen mein behandelnder Arzt, Herr Dr. Jost, und meine Mutter ins Zimmer. Er erklärte uns das Ganze nochmals im Detail und sprach bereits die medikamentöse Behandlung im Rahmen einer Chemotherapie an. Darauf traf auch mein Vater ein, dem ich kurz vor den Tränen stehend auch alles mitzuteilen versuchte. Als ich wieder alleine war, gingen mir tausend Sachen durch den Kopf. Einmal kam ich auch zur Frage „Wieso ich?“, doch damit hatte ich nicht lange zu kämpfen, schliesslich wollte ich wieder gesund werden und das Ganze schnellstmöglich hinter mich bringen.

Zu dieser Zeit beschäftigten mich die Semesterprüfungen noch am meisten, schliesslich war ich zwei Wochen vor Semesterende und die Ferien waren bereits in Sicht. Mein Plan sah vor, im Krankenhaus zu lernen und alles nötige vorzubereiten, um dann doch noch irgendwie an den Prüfungen teilnehmen zu können.

Am darauffolgenden Freitag durfte ich nachhause, um das Wochenende über zu entspannen – die Chemotherapie sollte erst am Montag beginnen. Leider wurde aus meinem kleinen Ausflug nicht viel, da es mir am Samstagmorgen miserabel ging und ich kurzerhand wieder ins Spital verfrachtet wurde. Das Wochenende einigermassen gut überstanden, begann wie geplant Anfang Woche die Chemotherapie. Ich kann mich nicht mehr an alle Details erinnern, und möchte das Ganze auch nicht in die Länge ziehen, deshalb nur ein paar Ausschnitte: Ich bekam viel Besuch und mein Mobiltelefon klingelte andauernd. Vielen Dank an dieser Stelle für die Anteilnahme, Blumen und Geschenke – es bedeutet mir sehr viel. Am Donnerstag erwartete ich Besuch von Saskia, die ein wenig länger blieb und dann auch noch auf Joël, Florian und Martin von der Studierendenorganisation sowie Peter Schmid, Präsident des FH-Rates der Fachhochschule Nordwestschweiz, traf.

Der nächste Teil folgt in Kürze.

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